Gefährliche Güter begegnen uns immer wieder im Alltag – angefangen beim Deospray über Batterien, Akkus, Farbstoffen bis hin zu den Feuerwerkskörpern für die Silvesternacht.
Jeder von uns ist also mit dem Transport gefährlicher Güter vertraut. Daher wollen wir Sie in diesem Beitrag auf einen kurzen Ausflug in den Bereich des Gefahrgutes mitnehmen und den Gesetzesurwald gemeinsam betreten.
Was ist ein Gefahrgut?
Als Gefahrgut bezeichnet man ein Gut, von dem aufgrund seiner Beschaffenheit bei der Beförderung auf öffentlichen Verkehrswegen eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgehen kann. Diese Güter sind während des Transportes aufgrund ihrer Zubereitung (Gemische, Gemenge, Lösungen), ihrer physikalischen oder chemischen Eigenschaften oder ihres Zustandes beim Transport als gefährlich einzustufen.
Ein Dschungel an Gesetzen
Der Transport gefährlicher Güter unterliegt strengen gesetzlichen Vorschriften. Je nach Transportweg gibt es unterschiedliche Regelungen – so gelten in Europa für die Beförderung gefährlicher Güter folgende Bestimmungen:
- ADR - Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße
- RID als Teil des COTIF - Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr
- ADN - Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf Binnenwasserstraßen
- IMDG-Code – Beförderungsvorschrift für gefährliche Güter im Seeschiffsverkehr
- DGR (IATA Gefahrgutvorschriften) - Regelung für den Transport von Gefahrgut im Luftverkehr der IATA
Schnell wird ersichtlich, dass es sich um viele verschiedene Gesetze handelt, die je nach Transportweg und Transportkette unterschiedlich zum Tragen kommen. Es handelt sich hierbei um sehr umfangreiche und komplexe Verordnungen, die in regelmäßigen Abständen novelliert werden - so erscheint beispielsweise alle 2 Jahre eine neue Ausgabe des ADR-Gesetzes.
Unternehmen, die regelmäßig mit dem Transport gefährlicher Güter vertraut sind, benötigen daher geschultes Personal, das die Verantwortung dafür übernimmt. Die Ausbildung und Bestellung eines Gefahrgutbeauftragten ist nicht nur ratsam, sondern ebenso gesetzlich vorgeschrieben.
Unterliegt jeder Transport gefährlicher Güter diesen Regelungen?
Zunächst drängt sich natürlich die Frage auf, ob diese Gesetze bei jedem Gefahrguttransport Anwendung finden. Dazu wollen wir uns ein praktisches Beispiel ansehen:
Im Baumarkt werden 7 Dosen Sprühlack zur Metalllackierung im eigenen Haushalt gekauft und mit dem Auto nach Hause transportiert. Gilt dieser Transport von Druckgaspackungen als Gefahrguttransport und ist daher das ADR-Gesetz zu beachten?
Grundsätzlich findet sich im ADR Verzeichnis eine Auflistung aller Stoffe sowie die zugeordnete UN-Nummer. Für Druckgaspackungen sieht das Gesetz die UN-Nummer 1950 vor - auf den ersten Blick scheint also ein Gefahrguttransport vorzuliegen.
Da aber somit der Straßentransport jeder Spraydose (wie Deosprays, Haarsprays oder Lacksprays) unter diese Bestimmungen fallen würde, sieht das Gesetz eine Freistellung für Privatpersonen vor. So ist definiert, dass die Vorschriften des ADR nicht für die Beförderungen gefährlicher Güter gelten, wenn sie von Privatpersonen für den persönlichen oder häuslichen Gebrauch oder für Freizeit und Sport transportiert werden, sofern die Güter einzelhandelsgerecht abgepackt und unter normalen Beförderungsbedingungen ein Freiwerden des Inhaltes ausgeschlossen werden kann (siehe ADR Kapitel 1.1.3). Das bedeutet also private Transporte von Gefahrgütern fallen generell nicht in den Gültigkeitsbereich dieses Gesetzes.
Unternehmen genießen diesen Vorteil nicht, jedoch besteht auch hier die Möglichkeit den Gefahrguttransport zu erleichtern – hierbei sind vor allem die Freistellung gemäß 1.1.3.6 sowie die Möglichkeiten der begrenzten und freigestellten Menge zu erwähnen (siehe ADR Kapitel 3.4.6 und 3.5.1).
Die 1000 Punkte Regel
Unternehmen bedienen sich gerne der Freistellungsmöglichkeit nach Kapitel 1.1.3.6, welche wir nun genauer betrachten wollen.
Dafür muss für die UN-Nummer 1950 die Beförderungskategorie in Spalte 15 der ADR Tabelle abgelesen werden.
Für entzündbare Druckgaspackungen lässt sich die Beförderungskategorie 2 ablesen, wonach gemäß 1.1.3.6 für die Klasse 2 (Gase) 333 kg Nettomasse freigestellt zu transportieren sind.
Wie sieht es aber mit der gemeinsamen Beförderung verschiedener Gefahrgüter aus, die unterschiedlichen Beförderungskategorien zuzuordnen sind?
In diesem Fall müssen die Stoffe der jeweiligen Beförderungskategorie mit unterschiedlichen Faktoren (z.B.: Faktor 50 für Kategorie 1, Faktor 3 für Kategorie 2, usw. – nachzulesen in ADR 1.1.3.6.4) multipliziert werden, wobei der berechnete Wert 1000 nicht überschreiten darf – auch bekannt als die 1000 Punkte Regel.
Im Falle dieser Freistellung müssen „nur“ die Zusammenladeverbote beachtet, ein ADR konformes Beförderungspapier mitgeführt und das Gefahrgut in einer geprüften Verpackung transportiert sowie auf eine korrekte Bezettelung geachtet werden. Viele Vorschriften müssen hier nicht eingehalten werden, wie zum Beispiel die nötige Kennzeichnung der Fahrzeuge mit Placards oder der orangenen Tafel, der nötige Gefahrgutlenkerausweis sowie eine besondere Schulung der Fahrzeuginsassen oder die Anforderung und Ausrüstung der Fahrzeuge.
Allenfalls bei jedem Gefahrguttransport mitzuführen ist ein Beförderungspapier, welches zwingend gewisse Informationen wie die UN-Nummer, die offizielle Benennung des Stoffes, die Verpackungsgruppe sowie Name und Anschrift des Absenders und Empfängers enthalten muss.
Gefahrgüter im Microsoft Dynamics 365 Supply Chain Management
Microsoft hat mit dem Update auf Version 10.0.9 eine Reihe neuer Funktionen auf den Markt gebracht, um die Anforderungen in Bezug auf Gefahrgut besser abdecken zu können.
Die Informationen dazu werden in der Produktionsinformationsverwaltung eingerichtet.
So besteht nun die Möglichkeit für ein freigegebenes Produkt zu definieren, ob dieser Artikel als Gefahrgut einzustufen ist.
Des Weiteren können Informationen zur Versanddokumentation wie Gefahrgüterbestimmungen, Klassifizierungsgruppen oder Verpackungsgruppen aufgesetzt und direkt dem Artikel zugewiesen werden.
In der Lagerortverwaltung können die Gefahrgüterdokumente generiert und editiert sowie anschließend der Lieferung beigefügt werden. Hier stehen Dokumente wie die Versendermeldung, eine Lieferungszusammenfassung sowie das Dokument zur Beförderung von Handelsware auf der Straße zur Verfügung.
Ebenso ist es nun möglich, die vorher erwähnte 1000 Punkte Regel innerhalb des ERP-Systems abzubilden. Dazu wird der Multiplikationsfaktor am Produkt definiert und bei der Lieferung mit der Menge multipliziert – das Ergebnis ist in der Lieferungszusammenfassung ersichtlich und kann während der Beförderung mitgeführt werden.
Microsoft hat mit dieser neuen Gefahrgutfunktionalität eine Möglichkeit geschaffen, die nötigen Informationen erfassen und Dokumente im ERP-System generieren zu können. Unternehmen können somit zukünftig einen Prozess etablieren, um die gesetzlichen Anforderungen erfüllen zu können.
Anmerkung:
- ADR = Accord européen relatif au transport international des marchandises Dangereuses par Route
- RID = Règlement concernant le transport international ferroviaire de marchandises Dangereuses
- COTIF = Convention relative aux transports internationaux ferroviaires
- ADN = Accord européen relatif au transport international des marchandises dangereuses par voie de navigation intérieure
- IMDG = International maritime code for dangerous goods
- DGR = Dangerous Goods Regulations
- IATA = International air transport association