Ich blicke an einem warmen Tag im Juli aus dem Bürofenster hinaus auf die belebteste Einkaufsstraße Dresdens. Die warme Sommerluft fegt durch mein Zimmer und die Musik der Straßenkünstler dringt durch das geöffnete Fenster. Ich schweife mit meinem Blick auf das Projekt Whiteboard an der gerade neu gestrichenen Wand – gefüllt mit denselben Projektarbeitspaketen wie damals zu Projektbeginn aber mit neuen Timelines – und ich fange an zu grübeln: Was ist mit Herrn König passiert? Warum haben wir ihn auf dem Weg im Projekt verloren? Oder hatte er am Ende selbst nicht mehr an den Projekterfolg geglaubt? War uns eigentlich von Anfang an klar, wer die Sponsoren mit politischer Einflusskraft im Projekt waren? Haben wir das ZIEL des Projektes und den Blick fürs “große Ganze” aus dem Auge verloren?
Warum scheitern Veränderungsprojekte?
Wenn ich mich nun mit einigen Jahren Abstand an dieses Projekt erinnere, dann fallen mir spontan verschiedene Gründe ein, warum dieses Projekt damals so schleppend für alle Parteien verlief. Hier sind meine persönlichen TOP 4 Gründe für das Scheitern von Veränderungsprojekten:
1. Projektauftrag und Big Picture sind nicht ausreichend
Vor dem Start eines Projektes sollten die Ziele klar definiert und kontinuierlich überwacht werden. Das „Big Picture“ also das große Ganze und wahrhaftige Ziel des Projektes sollten mit den Projektverantwortlichen und Sponsoren konkret diskutiert und herausgearbeitet werden.
Ausschlaggebend ist hier auch, dass sich die Projektsituation durch interne und externe Einflüsse ändern kann. Prioritäten der Aufgaben und Verantwortlichkeiten können sich verschieben oder überschneiden.
2. Unzureichende Kommunikation
Ein Zitat von Christian Morgenstern bringt es auf den Punkt: „Alles, im Kleinen und Großen, beruht auf Weitersagen. Wenn nun auch noch das Zuhören hinzukommt, dann klappt es auch mit dem Projekt.“
Was bedeutet das? Wenn nicht allen Mitarbeitern im Unternehmen klar ist, was sie konkret vorhaben und welches Ziel sie gemeinsam erreichen wollen, dann werden Sie unterwegs einige Mitstreiter verlieren. Wichtig ist es, klar und deutlich die kommenden Schritte anzukündigen und auch das „Warum“ für die Mitarbeiter transparent und deutlich zu vermitteln. Transparenz und klare Kommunikation sind oft entscheidend, damit sich alle „zugehörig“ fühlen.
3. Die Komplexität wird unterschätzt
Bereits in der Vertriebsphase wird manchmal unterschätzt, wie umfangreich ein Projekt, eine Phase oder gar ein Arbeitspaket werden kann. Oftmals wird darauf geachtet, dass das Angebot noch „verkaufsgerecht“ ist und der Kunde dieses natürlich akzeptiert. An der einen oder anderen Stelle fällt die eigentliche Komplexität aber meist erst viel später, im Projekt und bei der Verteilung der Aufgaben im Projektteam, auf.
Einer der größten Fehler in der Zeit- und Ressourcenplanung ist, dass die meisten unterschätzen, wie lange wir für eine konkrete Aufgabe benötigen. Deshalb ist es gut, sich schon während der Angebotsphase erfahrene Berater an Bord zu holen, die ähnliche Projektaufgaben aus anderen Projekten kennen und ungefähr den Aufwand abschätzen können. Ein zusätzlicher Projektpuffer für unvorhergesehenes Projektmanagement kann außerdem den Druck etwas herausnehmen, wenn man Aufgaben zum aktuellen Stand noch nicht konkret abschätzen kann.
4. Politik und Kompetenzgerangel / Keine Zusammenarbeitskultur
Wer nicht möchte, dass etwas gelingt, der blockiert kurzerhand die Ergebnisse. Warum das so ist? Weil die meisten Menschen sich immer noch vor Veränderung scheuen: Fällt mein Arbeitsplatz nun dem Optimierungswahn meiner Geschäftsführung zum Opfer? Werde ich dieselben Aufgaben wie bisher verantworten? All diese Fragen können aufkommen.
Oft gibt es politische Themen, Gewohnheiten und Denkweisen, die wir selbst nur schwer in Projekten lösen können. Auch politische und rechtliche Entscheidungen liegen außerhalb unseres Einflusses im Projekt.
Was ist also nun aus meinem Projekt und Herrn Müller geworden?
Was hätte ich meinem jüngeren Ich gern mit auf den Weg gegeben?
Rückblickend kann ich sagen, dass es wohl am fehlenden Sponsorenmanagement/Coaching gelegen hat, dass wir die wahren (politischen) Ziele dieses Projektes aus dem Auge verloren hatten. Hier hätte man viel mehr mit der Sponsorin im Projekt sprechen müssen. Auch die aktive Projektkommunikation (Kommunikationsplanung) beim Kunden Inhouse hatte nicht ausreichend stattgefunden.
Am Ende hätte es hier geholfen, das offene Gespräch mit allen Beteiligten zu suchen, Dinge konkret anzusprechen und in eine bessere Richtung zu lenken. Dann hätte man mit den entsprechenden Planungsinstrumenten auch ein erfolgreiches Projekt durchführen können.